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Zwischen Arzt und Patient muss die Chemie stimmen

Epi-Suisse hat eine Umfrage zur Arzt-Patienten-Beziehung durchgeführt. Fast 300 Betroffene oder Eltern haben teilgenommen (Rücklauf von 23%). Die Zufriedenheit ist gross. Viele aber wünschen sich mehr Zeit und mehr Verständnis von ihren Ärztinnen und Ärzten. Die Geschäftsführerin Dominique Meier im Interview.

Interview: Carole Bolliger


54% der Patientinnen und Patienten sind gemäss Umfrage mit ihren behandelnden Neurologinnen oder Neurologen „sehr zufrieden“. Und 33% sind zumindest «eher zufrieden». Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?

Nein, ich habe das so erwartet. Wir würden in der Beratung sehr viel mehr davon spüren, wenn eine grundsätzliche Unzufriedenheit bestehen würde. Dennoch hören wir immer wieder auch kritische Rückmeldungen, was uns veranlasste herauszufinden, was für Betroffene im Kontakt mit dem medizinischen Behandlungsteam wichtig ist und wo wir als Patientenorganisation unterstützend wirken können. Die Umfrage unter unseren 1200 Mitgliedern bildete dafür ein erstes Stimmungsbild, repräsentativ sind die Ergebnisse hingegen nicht.


Wo zeigte sich denn die grösste Unzufriedenheit mit Behandlungspersonen?

Eine fehlende persönliche Beziehung zur Behandlungsperson ist ein zentraler Faktor für Unzufriedenheit. Grössere Unzufriedenheit zeigen die Befragten auch mit den Möglichkeiten, einen Termin zu vereinbaren und der allgemeinen Praxisorganisation. In diesem Punkt ist umgekehrt auch die Zufriedenheitsrate mit 49% am geringsten. Die grösste Unzufriedenheit besteht aber in Bezug auf die Zusammenarbeit der Behandlungspersonen mit Sozial- und Krankenversicherungen.


Was ist Betroffenen an ihren Behandlungspersonen wichtig?

Neben der fachlichen Kompetenz streichen praktisch alle heraus, dass die menschlichen Qualitäten und das Vertrauen im Kontakt mit der Behandlungsperson stimmen müssen. Diese soll gut zuhören, die Betroffenen ernst nehmen, gut und verständlich informieren und bei der Therapiewahl die Betroffenen gut einbeziehen. Eine Befragte brachte es auf den Punkt: Die menschliche Qualität eines Neurologen kann das Leben eines Patienten verändern.


Das klingt nachvollziehbar und wenig überraschend. Gemessen an der Zufriedenheit scheinen die behandelnden Mediziner diese Anforderungen gut zu erfüllen.

Zu einem grossen Teil ja. In der Umfrage zeigte sich aber auch, dass gewisse Probleme des Systems, Sachzwänge des Gesundheitswesens, diesem Anspruch im Weg stehen und für die Betroffenen auch stark spürbar sind. So hat eine grosse Mehrheit der Antwortenden angegeben, die Behandlungspersonen müssten sich mehr Zeit nehmen können.


Wo sehen Betroffene konkrete Verbesserungsmöglichkeiten?

Was mir aufgefallen ist, sind die Rückmeldungen zu den Informationen: Hier wünschen sich einige eine einfachere Sprache von den Behandlungspersonen oder auch dass die eigenen Beschreibungen von Anfällen in den Worten der Betroffenen Eingang in Arztberichte finden. Probleme scheint es auch zu geben, sobald weitere Fachdisziplinen hinzugezogen werden sollten, sei es Sozialberatung oder auch Abklärungsstellen wie die Neuropsychologie. Und offenbar wünschen sich auch mehr Patientinnen und Patienten Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden wie Neurofeedback, CBD und unterstützende Therapien.


Gab es für Sie auch überraschende Ergebnisse?

Ja, wir haben befürchtet, dass Betroffene, die mit dem Behandlungserfolg unzufrieden sind, auch die behandelnden Fachpersonen schlechter beurteilen. Doch es zeigte sich klar: Die Betroffenen abstrahieren hier ganz klar. Die Mehrheit, die den Behandlungserfolg als ungenügend einstufte, zeigte gerade bei den Punkten «persönliche Beziehung» und «transparente Information» sowie «Eingehen auf persönliche Bedürfnisse/Fragen» hohe Zufriedenheit.

Überrascht und gleichzeitig gefreut hat mich aber, wie hoch der Anteil der Betroffenen oder Eltern ist, die sich gezielt auf die Konsultation vorbereiten mittels Fragelisten, Notizen oder Anfallskalendern. Über 70% der Antwortenden gehen vorbereitet zum Arztgespräch.


Welche konkreten Massnahmen und Schlüsse zieht Epi-Suisse aus der Umfrage?

Wir werden einerseits die Unterlagen zur Vorbereitung auf ein Arztgespräch nochmals verbessern und auch mit der Fachorganisation, der Epilepsie-Liga, den Austausch dazu suchen.

Auf politischer Ebene wollen wir vor allem die Hinweise nutzen, dass der hohe Zeitdruck oder Zeitmangel der Ärztinnen und Ärzte für die Patienten spürbar geworden ist und gerade Menschen mit komplexen neurologischen Behandlungen hier Bedürfnisse haben. Im direkten Kontakt mit Ärztinnen und Ärzten werden wir auf unsere Unterstützung in Bezug auf psychosoziale und sozialversicherungsrechtliche Fragen hinweisen.